Wer war Gouverneur Morris?
Die vergessene Stimme der Freiheit
Kaum jemand kennt heute seinen Namen. Und doch war Gouverneur Morris einer der wichtigsten Architekten der amerikanischen Verfassung – der Mann, der die Worte “We the People” prägte und den Begriff “United States” erschuff.
Ein brillianter Mann mit Witz, Visionen und unerschütterlicher moralischer Klarheit.
Als kompromissloser Gegner der Sklaverei entwarf er nicht nur die Verfassung, sondern warnte schon vor über 200 Jahren vor Korruption, Oligarchie, und wie Bildungsmangel zwangsläufig zur Aushöhlung der Demokratie führen wird.
Eine Stimme, die erschreckend aktuell klingt.
Und genau deswegen wurde er fast aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt.
Weil er unbequem war.
Weil er seiner Zeit zu weit voraus war.
Weil er sich weigerte, das moralische Versagen seiner Zeitgenossen zu beschönigen.
Und weil er – als einer der wenigen – auch Frauen und Versklavte in der Verfassung repräsentiert sehen wollte.
Gouverneur Morris’ historische Einteilung
Morris wurde 1752 in Morrisania, der heutigen Bronx, in New York geboren. Seine Familie lebte bereits seit Generationen in Amerika und war äußerst wohlhabend, loyalistisch geprägt und juristisch einflussreich. Schon früh zeigte er sich als brillanter Redner, ausgezeichneter Autor und scharfsinniger Jurist.
Während des Unabhängigkeitskrieges stellte er sich kompromisslos auf die Seite der Revolution, hielt eine der ersten öffentlichen Reden zur Unabhängigkeitserklärung, entwarf entscheidende Staatsverfassungen und arbeitete massgeblich an Aufbau und Finanzierung des jungen Staates mit.
1787 nahm er an der Verfassungskonvention in Philadelphia teil. Er war es, der den endgültigen Verfassungstext formulierte und die berühmten Worte “We the People of the United States” erschuff. Er war mit 173 Reden eine der vokalsten Personen der gesamten Veranstaltung und warnte eindringlich vor den Gefahren von Korruption, käuflicher Demokratie und Oligarchie. Zudem verurteilte er die Sklaverei auf das Härteste, und wollte dass Frauen in der Verfassung mitbestimmt und mitgefasst werden. Damit blieb er eine einsame Stimme im Kreis von Männern wie George Washington oder Benjamin Franklin. Sklavenhalter und Patriarchen.
Er reiste 1790 geschäftlich nach Europa, und wurde später als die Französische Revolution das Land umwälzte, von der Amerikanischen Regierung zum Botschafter ernannt und als einziger ausländischer Minister dem Terror überlassen.
Doch er überlebte. Und rettete einigen Menschen ihr Leben und ihr Vermächtnis auf dem Weg.
Seine Beobachtungen, Briefe und Reden zeugen von einem Geist, der weder vor unbequemen Wahrheiten zurückschreckte noch bereit war, seine Überzeugungen zu verraten. Seine Waffe war der Stift nicht das Schwert.
Dass er nach seiner Rückkehr in die USA den Erie Kanal veranlasst, Manhattans weltberühmte Stadtplanung entworfen hat, und indirekt für die Erfindung des Katheters verantwortlich war, werden da fast zur Nebensache.
Wie also geriet Gouverneur Morris in Vergessenheit?
In diesem Blog möchte ich ihn neu entdecken: jenseits von Anekdoten und Mythen, als feinfühliger und emotionaler Mensch voller Empathie, Visionen und von schmerzlicher Aktualität.
Ein Gerechtigkeitskämpfer und Held, den unsere Welt so sehr vermisst.
“… denn das wachsende Gute der Welt ist teilweise abhängig von nicht in der Geschichte aufgezeichneten Taten; und dass es dir und mir nicht so schlecht geht, wie es hätte sein können, ist zur Hälfte der Zahl derer zu verdanken, die ein verborgenes Leben führten und in nicht besuchten Gräbern ruhen.” — George Eliot